Computerspielsucht, Killerspiele, Cyber-Mobbing: Oft benutzte Schlagwörter von Medien, Politik und Gesellschaft. Der Tenor ist klar: Die neuen Medien sind gefährlich und verschlechtern das Klima in unserer Gesellschaft. Dieses "was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht"-Verhalten ist doppelt ärgerlich: Es nimmt der Politik Gestaltungsmöglichkeiten und verdeckt die wahren Probleme in unserer Gesellschaft.

Tauchen Probleme und Unzufriedenheit auf, muss ein Grund her, diese zu erklären. Arbeitsplatzverlust? "Die Poltiker sind schuld". Lehrerin unbeliebt? "Spickmich.de ist die Ursache". U-Bahn-Prügler und Amokläufer? "Diese komischen Spiele müssen die Triebfeder gewesen sein". Solche kurzschrittigen Erklärmuster sind eigentlich vor allem bei Stammtischen beliebt. Umso erschreckender, dass sich eine Vielzahl von Medien und politischen Strömungen genau dieser Plattitüden bedienen, als hätte es nie eine Aufklärung gegeben.

Dabei hätten die Macht"eliten" große Möglichkeiten, mehr Einfluss auf den Aufbau ziviler und gesellschaftsfördernder Websites und Videospiele zu nehmen. Aber das würde natürlich vorraussetzen, dass man sich mit der Materie ernsthaft auseinandersetzt. Wer die Community mit Vorurteilen überzieht, erntet seinerseits welche. Äußerst selten ist vereinzelt Lob zu hören über ein Computerspiel, das "pädagogisch wertvoll" ist. Würde die Politik genauer hinsehen könnte sie, auch im Rahmen von finanziellen Förderungen, zukunftsweisende Projekte stärken, sie würde zum Partner werden und nicht zum Feind.

Es gibt nämlich ein eklatantes Problem des aktuellen Gaming-Marktes: Projekte werden fast immer streng betriebswirtschaftlich aufgezogen, oftmals sind eine Vielzahl an Clones und platten Games die Folge. Bei dieser betriebswirtschaftlichen Sichtweise fallen außerdem sekundäre Wirkungen von Computerspielen völlig unter den Tisch: Potentiale zur Bildung, Intelligenzentwicklung aber auch Gefahren wie Computerspielsucht (Apropos Timesink und WoW, wo es darum geht, mehr Gebührenmonate zu verkaufen). Es mag sein, dass sich die Sichtweise der Politiker auf Games langsam etwas verbessert. Doch das dürfte wohl eher Resultat von bezahlter Lobbyarbeit im Interesse der Publisher sein - Und nicht direkt im Interesse der Gamer. Welcher namhafte Politiker tritt für einen öffentlichen Gamesförderungsfond, insbesondere für innovative, kleine Entwickler ein? Mir ist keiner bekannt. Und durch Publisherlobbyismus wird sich das wohl kaum ändern können.

Und die Medien? Sie, die zu einem Großteil einigen wenigen Familienkonzernen gehören, verhindern oftmals, dass sich die in digitalen Fragen weitgehend ahnungslose Bevölkerungsschichten wirklich informiert und differenziert mit dem Thema auseinandersetzen kann. Statt wirklicher Teilnehmer der Debatte werden zu können, verkommt ein eklatanter Anteil der Bevölkerung so zu Statisten, die Internet-Stopschildern und ähnlichem kritiklos zujubeln. So wie traurigerweise auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wo scheinbar immer weniger Aufklärung und immer mehr Meinungsmache betrieben wird. Wo wurde wirklich differenziert und offen über Bewältigungsmöglichkeiten gegen die Wirtschaftskrise diskutiert? Die Demokratie verkommt immer mehr zu einem billigen Schmierentheater. Nicht nur wir Gamer leiden darunter, sondern auch Arbeitnehmer, die immer weniger an der Wertschöpfung teilhaben und Arbeitgeber, die trotz gesunder Unternehmensstruktur keine Kredite mehr von den Banken erhalten.

Ein offener Dialog mit Wissenschaftlern verschiedenster Fachrichtungen (Psychologie, Neurologie, Pädagogik, Geisteswissenschaften...), Publishern, Gamern, Eltern und Poltikern wäre eigentlich wünschenswert und notwendig. Im Grunde genommen auch nicht unmöglich. Würden die Beteiligten alle ihre Augen öffnen.