Gamern im ganzen Land ging der Hut hoch, als sie von der neuesten Idee des Aktionsbündniss Amoklauf Winnenden erfuhren. Das AAW stellte am Samstag einen Container in Stuttgart auf, mit dem Ziel darin "Killerspiele" zu sammeln und diese später zu vernichten. Die Aktion war aber nicht ganz so erfolgreich, wie es sich manche Teilnehmer vielleicht gewünscht hätten.

Zu Beginn noch einmal: Die Hinterbliebenen der Ereignisse von Winnenden haben Schreckliches durchmachen müssen. Es ist jedes mal tragisch, wenn Eltern ihre Kinder beerdigen müssen. Das dürfen wir bei der ganzen Debatte nicht vergessen.

Aktion

Nun aber zum eigentlichen Thema. Zocker in Deutschland mussten sich im Rahmen der [K-Wort]-Debatte schon viel gefallen lassen. Aber das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden sprengte letzten Samstag diesen Rahmen, indem sie Familien dazu auf- forderten, ihre "Killerspiele" in einen Container zu werfen, der am Platz vor der Stuttgarter Oper aufgestellt war (wir berichteten). Diese Spiele sollten später in einer Müllverbrennungsanlage vernichtet werden. Jeder der sich an der Aktion beteiligte, erhielt außerdem die Chance ein vom Team der deutschen Fußball-Nationalmannschanschaft signiertes Trikot zu gewinnen, mit dem sich diese erst kürzlich für die Weltmeisterschaft qualifizierte.
Das Ganze wurde begleitet von einem äußerst zweifelhaften Poster, welches nicht nur durch die plakative Verwendung von Pistolen und Blutflecken auffiel, sondern auch durch das Männchen oben in der Ecke, welches eine CD in einen Mülleimer wirft. Wer genau hinsieht wird bemerken, dass auch dies eine perfide Fotomontage ist. Besagtes Männchen sieht man nämlich normalerweise beim Entsorgen eines Hakenkreuzes ...

REAKTION

Man musste nicht lange warten auf die ersten Reaktionen aus der Community. Natürlich hinterlässt das öffentliche Sammeln und Zerstören von Medien in unserer Gesellschaft einen etwas faden Nachgeschmack. Direkte Vergleiche zum Nationalsozialismus sind aber nicht zwingend gerechtfertigt. Die Nazis haben das Bücherverbrennen ja nicht erfunden, erst vor ein paar Jahren wurden in Amerika noch Harry Potter Bücher verbrannt. Dennoch wundert man sich, dass sich - außerhalb der deutschen Gaming-Gemeinde - niemand getraut hat, die Mitgliedern des AAW auf diese kritikwürdigen Parallelen hinzuweisen.

Der Mail-Account des Aktionsbündniss lief heiß in den folgen Stunden. Empörte Gamer beschwerten sich beim AAW über deren Aktion, auch ich selbst habe ihnen zum ersten Mal eine E-Mail geschrieben. Vorstand Hardy Schrober zeigte sich allerdings wenig beeindruckt: "Mit so viel Bosheit habe ich nicht gerechnet. Betroffene Hunde bellen.", sagte er der Stuttgarter Zeitung. Persönlich würde ich ja eher sagen: "Hunde, die 8 Monate lang mit einem spitzen Stock gepikst wurden durften noch nicht mal laut knurren, weil sie sonst einen auf die Nase bekommen hätten, haben so langsam die Schnauze voll", aber jedem das seine.

Das war aber noch nicht alles. Es kamen auch offizielle Reaktionen von Seiten des Verbandes für Deutschlands Video- und Computerspieler und der Piratenpartei. Unter dem Motto "Videospiele - Menschen verbinden statt aufhetzen" sammelten sie Computer-Spiele, um diese an Jugendtreffs weiterzureichen. Selbstverständlich haben sie dabei auf die geltenden Alterskennzeichnungen geachtet. Sie fühlten sich "pauschal verurteilt", so Patrik Schönfeldt, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des VDVC.

Hardy Schrober leistete sich hingegen gleich mehrere Schnitzer. Nicht nur sei "der Intellekt der Spieler nicht sehr hoch" (gleich mal den Gegner diffamieren, super gemacht!), er sagte auch "Sie haben unsere Aktion nicht verstanden. Wir gehen nur gegen Killerspiele vor." Was sind denn jetzt "Killerspiele"? Darauf hatte Herr Schrober zum Glück eine Antwort parat. Ich rate euch, beim Lesen der folgenden Zeilen keine Getränke zu konsumieren:

„Solche Spiele, die vom US-Militär entwickelt worden sind, um die Gewalt (Anmerkung: Er redet vermutlich von der "Gewalthemmschwelle") ihrer Soldaten zu senken. Das Problem bei uns ist halt, dass Spiele, die ab achtzehn freigegeben sind, Zehnjährige spielen.“

Damit schießt der Mann sich völlig ins Aus. Er glaubt tatsächlich an den Kölner Aufruf. Nochmal zum Mitschreiben: America's Army ist nur ein Rekrutierungswerkzeug um junge Amerikaner in den Dienst zu locken. Und die eigezogenen Soldaten verbringen garantiert nicht den halben Tag mit Zocken um ihre Hemmschwelle zu senken ...
Und nicht nur das, anscheinend ist die Zerstörung dieser Spiele der einzige Weg zu verhindern, dass sie von Minderjährigen gespielt werden. Ist ja nicht so, dass Erziehungsberechtigte eine gewisse Verantwortung für ihre Sprößlinge haben.

Manche Internetuser scherzten auch, man könne ja Wasserpistolen und Schachspiele in den Container werfen, da diese ja ebenfalls dazu dienen "das Töten von Menschen zu simulieren". Dies wurde allerdings von Seiten des AAW abgelehnt, da "hier nur Bauernfiguren und keine Bauern getötet werden sollen". Gut, dass wir es jetzt nochmal schwarz auf weiß haben. Die Soldaten bei Wolfenstein, Far Cry und Co. sind nicht etwa virtuelle Gestalten aus Pixeln und Polygonen, sondern echte, lebende Menschen die zum Vergnügen des Spielers sterben.


Ebenfalls sehr interessant, ist übrigens die offizielle Stellungnahme des DFB (hier nochmal Danke an Hejoba von Stigma-Videospiele):

"[...] herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Wir haben in diesem Frühjahr dem „Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden“ ein Nationalmannschaftstrikot zur Verfügung gestellt, um es im Rahmen einer karitativen Veranstaltung versteigern zu können. Wir gehen davon aus, dass der Erlös betroffenen Familien zugute kommt. Die konkrete Aktion, bei der dieses Trikot nun versteigert wird, war uns damals nicht bekannt. Dass wir das Trikot für einen guten Zweck zur Verfügung gestellt haben, bedeutet nicht, dass wir uns mit der „Initiative Familie gegen Killerspiele“ identifizieren.

Freundliche Grüße

Harald Stenger
DFB-Pressechef"

... Moment ... War da nicht was in deren offizieller Ankündigung ... ?

""Bei dieser Aktion, die von 10 Uhr bis 19 Uhr stattfindet, ist eine Lostrommel aufgestellt. Direkt nach dem Einwurf können die Personen ein Los ziehen. Hauptgewinn ist ein Trikot der deutschen Fussball-Nationalmannschaft auf dem sich die Unterschriften des aktuellen Kaders befinden. In diesem Trikot haben sich die Kicker erst am vergangenen Wochenende für die WM in Südafrika qualifiziert.""

Bin ich der einzige, dem das gerade spanisch vorkommt?

THE DAY THE MUSIC DIED ... NOT!

Was habe ich gebangt um diesen Tag. Was auch immer passieren würde, es wäre ein Tag an den wir uns erinnern würden. Würden die [K-Wort]-Gegner einen Sieg einfahren? Würden am Ende tatsächlich dutzende, ja vielleicht sogar hunderte, unschuldige Datenträger den Feuern der Stuttgarter Müllverbrennung überlassen werden? Würde dies der Beginn eines deutschlandweiten Feldzugs werden, in dem der spielefressende Container unser Land von den grausamen Mordinstrumeten befreit und Deutschland in ein gewaltfreies Utopia verwandelt?

Nö.



Für alle, die diesem Video nicht ganz folgen konnten, hier eine Liste der identifizierten Spiele:

- Open Arena (PC)
- Grand Theft Auto: San Andreas (PS2)
- Def Jam: Fight vor New York (PS2)
- Small Soldiers (GameBoy)

Naja, zumindest können wir sicher sein, dass die Kinder die GTA eingeworfen haben von nun sicher sind, vor den Einwirkungen dieser Spiele. Wie man hier in diesem Video sehen kann, gab es tatsächlich ein paar gute Seelen, die es nicht mehr verantworten konnten, solche furchtbaren Spiele in ihrem Besitz zu wissen.




...

Das heißt, wenn es tatsächlich ihre Spiele gewesen wären.



Das GTA war übrigens noch eingeschweißt.
Ein paar Photos findet ihr hier. Ansonsten habe ich nichts mehr zu diesem Thema zu sagen.