Watch_Dogs – Review: Riesengroß und auch gut?

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Wer sich mit Watch_Dogs das erste Mal beschäftigt, wird vom “Open World”-Kracher von Ubisoft schier erschlagen: Chicago als riesiger Abenteuerspielplatz, mit Aiden Pearce ein recht interessanter Charakter, Fahrzeuge, Mini-Games, Nebenaufgaben, Stealth, massig Skills sowie eine Geschichte über Überwachung, Menschenhandel und Rache wirken einschüchternd groß. Es ist aber eben auch ein Spiel von Ubisoft – und während wir die Spiele des französischen Publishers fast immer lieben, leiden wir doch auch immer wieder unter Nebenaufgaben vom Fließband und dieser einen oder anderen speziellen Sache, die das jeweilige Spiel vom absoluten Megahit zu einem immer noch tollen, aber eben doch nicht perfekten Titel machen. Und so waren die Hoffnungen vor Release ebenso groß wie die Befüchtungen. Was am Ende im Laden und zum Download steht, könnt ihr jetzt in unserem – komplett ohne Hacker-Witze auskommenden… – Test herausfinden.

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Rache!
Der Beginn von Watch_Dogs ist eigentlich ganz einfach: Im Chicago aus Watch_Dogs wird alles über ein riesiges zentrales Computersystem gesteuert, überwacht und kontrolliert. Hacker wie Hauptheld Aiden Pearce haben da natürlich Hochkonjunktur. Nachdem aber ein Auftrag schiefgeht, wird die Nichte des Mannes im stylishen Mantel getötet, wir wollen Rache und hüpfen ein paar Monate später in genau dem Moment ins Spiel, in dem wir dem Killer gegenüber stehen.  Der Plan ist danach klar: Ubisoft erklärt uns die Steuerung und die Möglichkeiten in dieser großen Welt mit ihren Menschenmassen, Nebenmissionen, Fahrzeugen und Möglichkeiten zum Hacken. Dank unserem Smartphone können wir per Knopfdruck quasi alles manipulieren: Kameras übernehmen, Türen öffnen, massig Geräte aktivieren oder deaktivieren, Alarme an Autos auslösen oder einfach nur Informationen zu jedem NPC einblenden, den wir gerade sehen. Das wirkt auf den ersten Blick nach viel – und selbst wenn das Hacken nur ein Tastendruck ist, wirkt die Welt deutlich interaktiver. Vor allem wird man von den Möglichkeiten auf den ersten Blick fast erschlagen.

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Splinter Assassin’s Far Driver Dogs
Bis zu zehn Ubisoft-Studios haben an Watch_Dogs mitgearbeitet – und das merkt man wirklich vom ersten Moment an. Wie in Splinter Cell oder Ghost Recon können wir per Tastendruck von Deckung zu Deckung rennen. Und wie in Splinter Cell sind die Gegner schlau und reagieren auf onmächtige oder tote Verbündete mit einer Suche und Alarm. Dazu klettern und hüpfen wir fast wie in Assassin’s Creed durch die Gegend, selbst wenn Aiden nicht jede Hausmauer hochkraxelt – die Möglichkeit, per Tastendruck über jedes ansatzweise logisch überwindbare Hindernis zu gelangen, ist aber sehr angenehm. Und die Anzeige, dass wir bemerkt werden, funktioniert genau so wie in Assassin’s Creed. Die Driver-Serie versteckt sich in den Autos und Motorrädern, mit denen wir durch das offene Chicago brettern können;  ein Erfahrungspunktesystem und darüber freigeschaltete Skills kennt man aus Far Cry. Besonders wichtig und auch beruhigend: Anstatt uns einen Haufen nicht gut zusammenpassenden Zeug vorzusetzen, funktioniert auf den ersten Blick alles in Watch_Dogs.

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Ein verdammter Ziegelstein auf einem gefrorenen See
Eine Sache funktioniert zwar auch, wird sind aber auch nach vielen Stunden nicht mit ihr wam geworden: Die Fahrzeug-Steuerung ist brutal unglücklich ausgefallen. Wer GTA V gespielt hat, wird vermutlich verzweifeln – die etwa 50 verschiedenen Autos, Lastwagen und Motorräder fahren sich zwar alle unterschiedlich, haben aber anscheinend das stabilste Metallfahrwerk der Weltgeschichte. Man vermisst bei den stocksteif herumfahrenden Untersätzen einfach das Einfedern, das Driften und die Power – das Geschwindigkeitsgefühl fehlt ebenso wie die Möglichkeit, auf abschüssigen Straßen durch Vollgas in einen Drift zu gehen. Bricht ein Fahrzeug doch mal aus, dann kann man den Blechkübel kaum mehr einfangen und knallt irgendwo rein. Alles fühlt sich steif, nicht direkt und weit entfernt von dem gleichzeitig spaßigen und etwas herausfordernden Fahrmodell in GTA V an. Und das ist eine Schande, weil man nunmal viel in Autos unterwegs ist. Ebenfalls komisch: Wir können beim Fahren auch mit Handfeuerwaffen nicht aus dem Fenster schießen.

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Diese Welt lebt
Wer das erste Mal (eventuell fluchend oder auch nur enttäuscht) aus dem Auto steigt, sieht eine lebendige Welt. Menschen gehen spazieren, unterhalten sich oder machen Musik. Das kennt man bereits aus GTA V – da hat man aber kein Wunder-Smartphone, das uns alle wichtigen Informationen zu den Menschen einblendet. In Watch_Dogs sehen wir das Alter, eine kurze Charakterisierung, das Einkommen – und wir können oftmals Gespräche oder Chats verfolgen. Was nach wenig klingt, gibt der Welt und den Menschen viel Tiefe und trägt zur Atmosphäre bei. Ebenfalls möglich: Regelmäßig können wir Menschen per Knopfdruck hacken, um neue Songs oder Geld zu bekommen. Noch cooler: Wir haben von Anfang die Möglichkeit, die Spielwelt zu manipulieren. Ampeln auf grün schalten und Verkehrsunfälle verursachen, Dampfrohre explodieren lassen, Brücken anheben oder Poller ausfahren – das macht ebenso Laune, wie es interessant ist, den Bewohnern der Stadt über Kameras nachzuspionieren. Sehr sinnvoll: Größere Hacks kosten etwas Energie, die sich nur nach und nach regeneriert – wer sich mit der Polizei oder Verbrechern angelegt hat oder sogar auf der Flucht ist, sollte sich also gut überlegen, wie man vorgeht oder entkommt und dass man dabei mit der Energie haushaltet.

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Eine sehr motivierende Erfahrung
Was trotz aller anfänglicher Begeisterung schnell auffällt: Spielerisch bewegt sich Watch_Dogs trotz Hacking auf ausgetretenen Bahnen. Wir fahren durch die große Stadt, sehen den Menschen zu und nehmen Missionen aller Art an. Das funktioniert auch trotz des interessanten und neuartigen Settings ganz genau so wie in anderen “Open World”-Titeln: Zum markierten Punkt gelangen, das Knöpfchen drücken und loslegen. Nebenmissionen kommen dabei nur mit ein oder zwei Sätzen aus; die Hauptmissionen sind dafür aufwändig inszeniert. Verschiedene Charaktere, Überraschungen und die Themen Überwachung und Menschenhandel sorgen dafür, dass man mitfiebert, überrascht wird,  immer gespannt ist und unbedingt die nächste Mission sehen will. Tolle Charaktere, viele Geheimnisse und abwechslungsreiche Missionen halten uns bei der Stange – der Drang, endlich zu sehen, was als nächstes passiert, ist meist riesig. Da stört das etwas enttäuschende Ende kaum: Der Weg ist das Ziel und der macht viel Laune und glänzt mit einer gut gemachten Geschichte.

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Abwechslung wird groß geschrieben
Ebenfalls klasse: Die Hauptmissionen spielen sich abwechslungsreich und bieten genug Raum für eigene Wege. Durch die Anleihen aus Assassin’s Creed und Splinter Cell können wir uns leise durch die Level schleichen – wer in Deckung und außer Sicht bleibt, kann Feinde locker per Nahkampfangriff ausschalten. Werden wir entdeckt, dann sind die Feind schlau genug, uns zu umgehen, in Deckung zu bleiben und auch mal Verstärkung zu rufen. Schlaue Spieler schleichen sich darum meist an, sehen sich die Szenerie, Laufwege und das versammelte Feindangebot mit dem Smartphone ganz genau an und schalten die gefährlichsten Feinde dann möglichst schnell und ungesehen aus. Durch das Hacken gibt es übrigens genug Möglichkeiten neben dem Schießen und Schleichen, um Feinde auszuschalten: Wir lassen Granaten am Träger explodieren, lenken die Feinde mit geworfenen Gegenständen oder manipulierten Dingen wie Kränen ab oder öffnen Türen und Tore per Hack. Das bedeutet nicht nur viel Abwechslung, sondern erhöht auch den Wiederspielwert. Manchmal gibt es auch kleine Puzzles – die haben dann meist auch etwas mit Hacking zu tun, was ebenfalls viel Freude macht.

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Jagle und sammle!
Ein sehr guter Grund, warum man vorrangig nicht wild ballernd durch das Spiel rennen sollte, versteckt sich im Erfahrungspunkte-System, das man so schon aus Far Cry kennt: Für erledigte Gegner, erfolgreich abgeschlossene Missionen und Ähnliches bekommen wir Punkte, mit denen wir neue Fähigkeiten aus den Bereichen Hacking, Waffenbeherrschung, Basteleien und Fahrzeugbeherrschung erlernen. Kleine selbsterstellte Gadgets sind innerhalb der Missionen oft nützlich – man kann Gegner ablenken, die Kommunikation kurz unterbinden oder einen Blackout herbeiführen. Wer mehr Energie will, sollte das entsprechende Upgrade wählen; wer mehr Dinge hacken will, sollte das entsprechende Upgrade wählen und wer den auf Wunsch per Tastendruck gestarteten Zeitlupeneffekt verlängern will, der sollte ebenfalls – Überraschung! – ein Upgrade wählen. Hier verschenkt Watch_Dogs allerdings Potential: Die Skill-Trees sind schnell freigeschaltet; wirklich viel mächtiger fühlt man sich dazu auch nicht, da Aiden von Beginn an eine brutale Kampf- und Hacking-Maschine ist.

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Been here, seen that, done that…
Das größte Ubisoft-Problem versteckt sich allerdings woanders: Man hat gerade bei den Nebenmissionen schnell das Gefühl, alles gesehen und gemacht zu haben. Das klingt auf den ersten Blick doof – natürlich ist die Menge an Nebenmissionen brutal groß. Aber viele Missionen und Dinge wiederholen sich rasend schnell. Das erste Mal ist es noch cool, einen Kriminellen in einem Konvoi auszuschalten, ein Verbrechen zu verhindern oder als riesige Metallspinne in einem sogenannten Digital Trip für Punkte und Bestenlisten möglichst schnell möglichst viel Zerstörung zu verursachen – nach dem zehnten Mal kennt man alles aber schon und fragt sich, warum man schon wieder einen Kriminellen mit seinem Konvoi stoppen oder ein Verbrechen verhindern soll. Man kann theoretisch gesehen stundenlang in der Stadt Nebenaufgaben machen – weil man die Missionstypen aber flott alle gesehen hat, lässt man viele Dinge links liegen und macht nur ab und an ein paar Dinge. Die Einblendung “Verhindere das Verbrechen in der Nähe!” nervt im Fall der Fälle nach ein paar Stunden fast schon.

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Gut gedacht, doof umgesetzt
Die große Schwäche der Nebenmissionen von Watch_Dogs ist aber nicht, dass sie sich oft wiederholen – das Problem ist, dass sie keinen echten Sinn haben. In Assassin’s Creed 4 haben Attacken auf Konvois oder Festungen nicht nur episch ausgesehen und die Meuchelmissionen waren herausfordernd und spaßig – man bekam dringend benötigtes Geld und Ausrüstung, um die Hauptmissionen zu erledigen. Watch_Dogs spendiert uns auch Geld für erfüllte Missionen – aber wozu brauchen wir das, wenn wir davon nur nutzlose Kleidung, Waffen (die man in den Missionen reichhaltig findet) und Autos (die man gefahrlos und blitzschnell überall klauen kann) kaufen können? Auch das Moralsystem hat keinen echten Einfluss auf das Spielerlebnis: Passanten rufen nur etwas schneller oder weniger schnell die Polizei, wenn sie uns mit einer Waffe herumrennen oder eine gruppe Passanten überfahren sehen. Mehr passiert nicht – und die für eine gute oder schlechte Moral verliehenen passiven Skills ändern daran auch nichts. Natürlich stürzt man sich gerne in die eine oder andere  neue Nebenmission. Es wäre aber sehr viel mehr möglich gewesen. Wenn man dazu das Gefühl hat, dass die eigenen Handlungen bedeutungslos sind, dann ist das zwar heute in vielen Spielen so – es enttäuscht und nervt darum aber nicht weniger.

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Neue Ideen!
Zumindest was die Online-Einbindung angeht, gibt es eine neue Idee: Wir können das Spiel eines Gegners infiltrieren und ihn hacken, während er uns erst sucht und – falls er uns erwischt – jagt. Mit bis zu drei Mitstreitern gegen vier andere Spieler im Decryption-Modus anzutreten macht Laune, erfordert Teamplay und lässt uns zusammen arbeiten, um erst etwas zu erobern und es dann zu behalten und zu verteidigen, während man es nach und nach automatisch entschüsselt. Rennen gegen andere Spieler quer durch die Stadt, ein Rennen durch die Stadt, in dem ein Tablet-Spieler uns stoppen will und ein “Free Roam”-Modus runden das nette Online-Paket ab, das zwar kaum wirklich viele neue Dinge macht, aber für sehr willkommene Abwechslung sorgt.

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Technisch zwischen toll und schrecklich
Als Watch_Dogs 2012 das erste Mal 2012 präsentiert wurde, wurden wir von der Optik umgeworfen. Das gilt zum Launch nicht mehr. Ja, viele Szenen und Stellen sehen auch heute noch klasse aus. Wer eine aktuelle Nvidia-Top-Grafikkarte hat, kann dazu mit diversen Nvidia-exklusiven Techniken alles noch ein Stückchen cooler aussehen lassen. Und wenn die Sonne unter- oder aufgeht, es gerade geregnet hat oder es in der Nacht regnet, dann sieht Watch_Dogs auch heute noch verdammt beeindruckend aus. Dummerweise gibt es auch wolkige oder nur normal sonnige Tage, an denen Chicago langweilig und flach aussieht. Dazu ist die Entfernung, in der Fahrzeuge eingeblendet werden, gefühlt viel zu nah und ein Haufen kleinerer Schönheitsfehler stören den sonst guten Grafikeindruck. Überfahrene Hydranten lassen Wassersäulen durch das Auto schießen, manche der sonst cleveren KI-Gegner schalten teilweise in den Deppenmodus (und starren nur auf Wände) und die eine oder andere Textur sieht sehr verwaschen aus. Nichts davon ist dramatisch oder stört wirklich – man hat aber das Gefühl, dass gerade bei den kleinen Details die Liebe oder Zeit gefehlt hat. Dazu kommen brachiale Hardware-Anforderungen, bei denen selbst Battlefield 4 zahm wirkt. Gute Sprecher, ein feiner Soundtrack und sonst gute Sounds sorgen zumindest ebenso für vollkommen zufriedene Spieler wie die filmischen und gut gemachten Zwischensequenzen.

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Watch_Dogs – Fazit: (Zu) Groß und schön
Als Watch_Dogs angekündigt wurde, wurden wir umgehauen. Dann kamen mehr Informationen heraus – und mit ihnen die Zweifel: Wird der Action-Titel vielleicht zu groß? Will man zu viel? Wird das Spiel funktionieren? Werden wir schon wieder die Ubisoft-Krankheiten erleben? Jetzt haben wir Watch_Dogs gespielt und können dazu etwas sagen. Die gute Nachricht ist: Watch_Dogs funktioniert. Es sieht gut aus, das Gameplay macht Laune, ist abwechlungsreich und bietet genug Freiheiten. Man wird auch ohne Nebenmissionen locker 20 Stunden in Chicago verbringen können – und wer alles erledigen will, sollte längere Ferien ohne Real Life jeder Art einplanen. Die Geschichte ist gut, die Charaktere interessant, die Möglichkeiten reichhaltig. Aber es gibt auch schlechte Nachrichten: Viele Elemente wiederholen sich zu oft; die Welt ist nur auf den ersten Blick lebendig und die Technik ist zwar sicher gut und alles, aber eben doch weit von dem entfernt, was man sich erhofft hatte. Watch_Dogs ist damit ein weiteres Spiel, das man als klassischen Ubisoft-Titel bezeichnen kann: Es ist schön, es ist riesig, es ist ambitioniert, es bietet neue Ideen und es macht nichts wirklich falsch. Aber gerade die Größe wird dadurch erkauft, dass viele Elemente sich wiederholen, die Abwechslung auf der Strecke bleibt – und wir müssen schon wieder auf Dinge klettern, um die Map-Übersicht eines weiteren Stadtbezirks freizuschalten. Kurz: Watch_Dogs ist ein tolles Spiel mit einigen kleineren Macken und vielen Wiederholungen. Gespielt haben sollte man es aber sicherlich, wenn man genug von GTA V hat…
8/10

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