Bound by Flame – Review: Dauerhaft knapp daneben

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Man kann sich direkt vorstellen, wie die Macher von Bound by Flame das erste Meeting hatten und über das neue Rollenspiel sprachen. Eine dunkle und erwachsene Geschichte, eine düstere Welt, interessante Charaktere, ein an Dark Souls erinnerndes anspruchsvolles Kampfsystem, moralische Entscheidungen, Beziehungen und zu allem Überfluss auch noch die spannende Frage, wie weit die Spieler gehen werden, um die Welt zu retten – all das klingt großartig. Warum es mit dem Top-Hit dann doch nichts geworden ist, verraten wir euch – schweren Herzens wohlgemerkt – im Review.

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Untote – Jemand bekommt aufs Maul

Verreckt im Tutorial
In Bound by Flame hüpft man in die Stiefel von Vulkan. Das ist nur ein von allen Personen benutzter Spitzname für den von uns gespielten Charakter – die Charaktererstellung lässt uns Männlein oder Weiblein, ein paar Frisuren und Köpfe auswählen und schon geht es los. Während die Welt total am Ende ist – sieben böse Eisfürsten überziehen die Welt mit Kälte, Tod und Verderben – schieben wir als als hundsgemeiner und normaler Söldner Wache vor einem Tempel, in dem ein uralter Magierbund ein Ritual durchführt, um das Krigesglück vielleicht noch zu drehen. Natürlich geht das nicht gut – und zwar erstmal für uns und unabhängig von der Geschichte. Was uns genau passiert ist ist schnell erzählt: Das Spiel erklärt die grundlegenden Kampftechniken, ein paar mickrige Skelette kommen vorbei und wir gehen aus reiner Unfähigkeit auf dem zweitniedrigsten Schwierigkeitsgrad schändlich drauf. Der Schock sitzt tief: Im Tutorial sind wir als erfahrene Spieler schon lange nicht mehr gestorben. Danach geht es auch für Vulkan und seine Söldnerkumpane nicht gut weiter – die Übermacht der attackierenden Gegner ist zu groß, das Ritual geht schief und plötzlich haben wir Gesellschaft.

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Wir hassen alle hier zu sehenden Gegner persönlich

Schizophrener Kloppmeister
Genauer gesagt: Ein echter und beim Ritual beschworener Flammendämon nistet sich in unserem Helden ein. Das gewährt uns nicht nur Zugriff auf diverse sehr coole Fähigkeiten – Flammenbälle und in Brand gesetzte Klingen helfen immer! – sondern liefert uns den ersten richtig coolen Twist: Der Dämon macht uns zwar auf Wunsch mächtiger, kostet uns aber unsere Menschlichkeit. Je nachdem, was wir machen und wie wir uns entscheiden, werden wir zwar immer mächtiger, rennen und hauen uns aber plötzlich mit Hörnern und brennend durch die nett aussehende Welt. Die ist in diverse Areale eingeteilt, die man nach und nach besucht – und die strotzen meistens vor Monstern, die man mit dem Action-Kampfsystem bezwingen muss. Dabei wechselt man flüssig zwischen Dolchen und Zweihändern, tritt, blockt, schlägt und wirbelt durch die Feinde und konsumiert Heiltränke wie ein Junkie, da die Gegner viel aushalten und noch mehr austeilen. Selbst ein popeliger Untoter kann uns – wenn wir unvorsichtig sind – blitzschnell mit drei oder vier Treffern aus den Latschen hauen, während wir mindestens ebenso viele brauchen. Eine Armbrust  (mit sehr begrenzter Munition)  und Explosivfallen (auch sehr begrenzt) gestalten die schweren Kämpfe zumindest etwas einfacher. Ganz wichtig sind gute Reaktionen: Wer im richtigen Moment blockt, kann einen Konter auslösen, der deutlich mehr Schaden macht als die zwei zur Verfügung stehenden normalen Attacken.

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Zwei magiebegabte Mitstreiterinnen

Fast nie allein
Allein sind wir dabei quasi nie: Von Beginn an stehen uns mehrere Charaktere zur Seite, von denen wir immer nur eine Person mitnehmen dürfen. Heilerin Sybil heilt, Hexe Edwen hext, Bogenkämpfer Rhelmar schießt, Randall haut zu und der Untote Marthras zaubert und prügelt – Unterstützung haben wir angesichts des bösen Schwierigkeitsgrads definitiv nötig. Dazu haben die Charaktere ihre eigenen Ansichten, reagieren auf unsere Entscheidungen und mögen sich nicht immer wirklich – es ist die alte Bioware-Formel im Extrem, um mehr als nur eine Geschichte zu erzählen. Romanzen, Beziehungen und auch Feindschaften bis hin zu Mordversuchen sind möglich, leiden aber dummerweise unter dem großen Problem der restlichen Geschichte: Die ist zwar an sich gut und auch interessant, wird aber meistens in ewig langen Dialogen erzählt, die durch die steife Kamera ungefähr langweiliger als in Gothic (ja, wir meinen Teil 1) inszeniert werden. Dazu haben wir nur selten die Chance, selber etwas zu sagen und das Spiel nimmt sich das Recht heraus, unseren Charakter wichtige Entscheidungen selber treffen zu lassen, ohne dass es über den Dämon in ihm oder irgendwas anderes erklärt wird. Enttäuschend ist da das passende Wort, da so viel möglich gewesen wäre – oder wann musste man sich als Spieler schonmal fragen, wie viel von der Menschlichkeit man opfert, um mächtiger zu werden? Genau dieses riesige und spannende Thema wird dummerweise kaum ernsthaft bearbeitet und auch sonst sind unsere Entscheidungen selten und führen entweder zu extremen reaktionen oder sind den Leuten egal. Das nimmt der Welt viel von der Glaubwürdigkeit, die dabei so wichtig für den Titel und die Motivation wäre.

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Der Preis der Macht, um diesen Riesen besser umzuhauen zu können

Die richtige Reaktion
Und auch an anderen Stellen schleichen sich Fehler und Probleme in Bound by Flame ein. So kann man es zwar verschmerzen, dass die Gebiete recht klein und linear aufgebaut sind; auch das Respawnen erledigter Feinde beim nächsten Besuch ist zu verschmerzen. Was man nicht verschmerzen kann, sind die Fehler beim Kampfsystem. Und dabei wirkt das auf den ersten Blick sogar direkt großartig: Man wechselt zwischen Zweihänder und Dolchen, blockt und tritt als Krieger oder blockt und springt als Meuchler zurück – das Timing ist elementar, da Feinde viel aushalten, viel Schaden machen und ein Konter den höchsten Schaden verursacht. Für den muss man allerdings die Deckung Deckung sein lassen und erst in letzter Sekunde wegspringen oder blocken. Das Fehlen einer Ausweichrolle ist allerdings sehr nervig; weil der Held nur zurückspringt und wir die Richtung nicht direkt bestimmen, hüpfen wir schon das eine oder andere Mal direkt in einen anderen Gegner. Und es sind die – eigentlich schönen und kreativen – Gegner, die dem Kampfsystem mit seinen Macken viel Spaß rauben: Es ist ja in Ordnung, dass sie viel aushalten und böse austeilen. Auch dass man gegen eine Überzahl steht, ist kein Drama. Es ist die Mischung, die es macht – oder in diesem Fall eben nicht macht. Eine Gruppe aus Bogenschützen, Magiern und knüppelharten Nahkämpfern führt in Rekordzeit in den Ladebildschirm, da man kaum eine Möglichkeit hat, die Übermacht sinnvoll zu bekämpfen. Dazu kommt ein Begleiter, dem man keine direkten Befehle geben darf und ein etwas indirektes Feeling beim Schlagen und Blocken und schon flucht man wie ein Weltmeister.

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Bei solchen Feinden ist die Flucht keine Schande

Du wirst leiden!
Wer denkt, dass das Grauen bereits am Ende ist, der hat sich geirrt: Es stehen Bosskämpfe an. Die Gegner unterscheiden sich in Größe, Ekligkeit und Fähigkeiten, sind in zwei oder drei Punkten aber immer gleich: Die Feinde teilen Schaden ohne Ende aus, sind bitterböse und fies und sie haben so viel Lebensenergie, dass uns die Worte ausgehen. Das kombiniert man mit teilweise dazukommenden normalen Feinden, nicht blockbaren Hieben, Bereichsattacken und allem, was das Frustlehrbuch für böse Spieleentwickler noch parat hält und schon sind die zwingend vorgesehenen Bosskämpfe ein Moment, in dem man noch mehr leidet, flucht und die kleineren Unzulänglichkeiten des Kampfsystems verdammt. Wenn man nach einem fünfzehnminütigen Fight – und gefühlt drei benötigten Treffern bis zum Sieg – draufgeht, weil Vulkan leider in die falsche Richtung weggehüpft ist, da die Kamera sich an einem Bauwerk verhakt hat, dann schreit man in einer Lautstärke los, dass Wände und Scheiben zu Bruch gehen. Umgekehrt ist es dafür zumindest umso befriedigender, wenn man den turmhohen Gegner endlich umhaut. Getrübt wird das Gefühl leider immer wieder davon, dass man nicht nur die Gegner, sondern auch kleinere Ungereimtheiten und fehlende Möglichkeiten im Spiel besiegen musste.

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Kein bekämpfbarer Drache & Ganz böse Feinde

Basteln, kaufen und leveln
Abgesehen davon gestaltet sich Bound by Flame ganz klassisch: Wir rennen durch die Gegend, bekommen Erfahrungspunkte für erledigte Aufgaben und Gegner und leveln unseren Charakter auf. Neue Fähigkeiten spendiert uns das Spiel aber quasi gar nicht – wir werden nur besser und machen beispielsweise mehr Schaden, blocken schneller oder heilen uns automatisch über die Zeit. Außerdem sammeln wir allen irgendwo herumfliegenden Plunder auf, um in Rekordzeit – das Spiel pausiert dabei – neue Ausrüstung und Verbesserungen für unsere Ausrüstung zu basteln. Schick: Je nachdem, wie wir die Rüstung oder Waffe aufrüsten, sieht die etwas anders aus. Wirklich unglaublich komplex ist das System nicht; eine nette und interessante Angelegenheit ist es aber trotzdem.

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Merke: Große Feinde sind besonders böse

Schön und steif
Wenn wir das bisher Geschriebene zusammenfassen, dann kann man es ungefähr so formulieren: Schöne und gute Ideen werden bis zu einem Punkt gut umgesetzt, ab dem man dann ein paar nervtötende und vermeidbare Fehler einbaut. Und das gilt auch für die technische Seite von Bound by Flame sagen: Schicke Optik trifft auf ein paar merkwürdige Stellen und legendär steife Gesichtsanimationen, die nur noch von den abartig statischen Dialogen unterboten werden. Dazu kommen gute englische und wirklich gruselige deutsche Sprecher, der eine oder andere Fehler in den Untertiteln und ein schöner Soundtrack. Nervig: Manchmal bleibt unser Begleiter irgendwo hängen und wir dürfen zurücklaufen und ihn doer sie suchen. Ebenfalls doof: Obwohl wir einen gefühlt tonnenschweren Zweihänder schwingen, reagieren Gegner auf die wuchtigen Treffer kaum – das kostet Atmosphäre.

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So friedlich bleibt es nicht lange

Bound by Flame – Fazit: Trotz Macken ganz ordentlich
Seien wir ehrlich: Bound by Flame ist kein Top-Titel eines riesigen Entwickler-Teams. Trotzdem macht das ambitionierte Rollenspiel einen sehr guten Eindruck, bis man etwas genauer hinschaut und die kleinen Fehler bemerkt – jede an und für sich gute Idee wird von irgendetwas mehr oder weniger stark beeinträchtigt. Ein auf Reaktionen und Taktik basierendes anspruchsvolles Kampfsystem wird von fehlenden Ausweichrollen und fiesen Gegnerkombinationen geschädigt. Die gute Geschichte und Idee werden von wenigen Entscheidungen und langatmigen Dialogen zurückgehalten. Und die schicke Technik und schöne Musik wird von lustlosen deutschen Sprechern, steifen Gesichtsanimationen und dem einen oder anderen Detailfehler verunstaltet. Trotz allem wird man in Bound by Flame als Rollenspiel-Fan zehn, 15 oder sogar mehr als 20 Stunden lang Spaß haben – wer sich auf das Spiel und die Welt einlässt, bekommt ein nettes und ordentliches Rollenspiel, das trotz diverser Fehler Spaß machen kann. Wer nicht leidensfähig oder in der Lage ist, ein paar Fehler zu verzeihen, sollte den Titel allerdings besser im Regal lassen und sich The Witcher holen.
Für Rollenspiel-Fans: 7/10
Für den Rest: 6/10

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Aufs Maul!

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