Jugendschutz: Electronic Arts fordert Ablösung der Game-Selbstkontrolle
Electronic Arts, einer der größten Videospiel-Hersteller der Welt, will den deutschen Sonderweg beim Jugendschutz beenden. EA-Manager Gerhard Florin fordert, die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) abzuschaffen und stattdessen das internationale Klassifikationssystem Pegi einzuführen.
Gerhard Florin, bei Electronic Arts für das internationale Publishing außerhalb der USA zuständig, hat eine klare Meinung zu der Art und Weise, wie der Videospiel-Jugendschutz in Deutschland organisiert ist: "Das ist Zensur, was wir hier machen, aber keiner beschwert sich."
Deutschland ist innerhalb Europas mit seinem als besonders streng geltenden Jugendschutz-System in der Tat allein auf weiter Flur. Das Pegi-System dagegen nutzen 28 Länder. Für Florin ist das ein Symptom - und zwar eines, das der Branche hierzulande schadet: "Wenn hier über Spiele gesprochen wird, dann über Gewalt oder angebliche Suchtgefahr, nicht über den kulturellen Stellenwert." Dieses Klima werde Deutschland als Technologiestandort langfristig schaden, glaubt Florin: "Die paar guten Studios hier fragen sich, warum sollen wir überhaupt hierbleiben?" Deutschland müsse sich "an europäische Standards anpassen".
Tatsächlich haben die Gründer des deutschen Erfolgsstudios Crytek ("Farcry", "Crysis") erst vor einigen Tagen gedroht, sich aus Deutschland zurückzuziehen, wenn hierzulande "Actionspiele verboten werden sollten".
Vieles geht hier nicht
"Wenn die Kreativschaffenden in Deutschland sich nicht an einem der bedeutendsten und zukunftsträchtigsten Kulturmedien beteiligen können, heißt das nichts anderes, als dass wir gezwungen sind, ins Ausland abzuwandern", sagte Crytek-Chef Cevat Yerli der Fachzeitschrift "PC Games". Crytek-Spiele werden von Electronic Arts vermarktet - man kann in diesem Fall wohl von einer konzertierten Aktion ausgehen.
Tatsächlich geht es bei dem Vorstoß wohl weniger um Kultur als ums Geschäft: Eine ganze Reihe von Spielen, die international verkauft werden dürfen, bekamen in Deutschland von der USK keine Altersfreigabe - was einem faktischen Verkaufsverbot gleichkommt. So mancher Hersteller reicht besonders brutale Spiele in Deutschland gar nicht zur Bewertung bei der USK ein, weil von vorneherein feststeht, dass sie keine Altersfreigabe bekommen werden.
Provokanter Versuch im Wahlkampf
Florin beklagt, dass die Einstufungspraxis der USK Herstellern keine Planungssicherheit biete - ob der EA-Titel "Dead Space - Extraction" für Nintendos Wii in Deutschland auf den Markt kommen kann, ist beispielsweise immer noch unklar, dabei soll das Spiel im September erscheinen.
Dass Florin mit seiner Forderung schnell Erfolg hat, glaubt unter den Messe-Fachbesuchern in Köln kaum jemand. Der Vorstoß ist wohl eher eine Art Versuchsballon, um eine neue Debatte über das Thema Jugendschutz, Spielkultur und Branchenakzeptanz anzustoßen - und das mitten im Wahlkampf.
© SPIEGEL ONLINE 2009
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH
für die Inhalte externer Internetseiten.
SpielmacherGespräche mit Pionieren der Gamesbranche.
Mit Dan Houser ("Grand Theft Auto"), Ken Levine ("Bioshock"), Sid Meier ("Civilization"), Hideo Kojima ("Metal Gear Solid") u.v.a.
SPIEGEL E-Book; 2,69 Euro.
- Bei Amazon kaufen.