Indizierung und Verbot von Videospielen

Argumente gegen das Verbot

Fiktion ist nicht real: Schon René Magrittes „Der Verrat der Bilder“ (Bild) illustriert anschaulich den Unterschied zwischen dem tatsächlichen Gegenstand und seiner Darstellung. Auch wenn sie noch so realistisch ist: Durch das Paffen einer virtuellen Pfeife wird man weder Nikotin aufnehmen noch seine Gesundheit schädigen. Diese Unterscheidung ist wesentlich, denn fiktive Gewaltdarstellungen würden, wenn sie mit realer Gewalt identisch wären, nur schwer zur Unterhaltung taugen, sondern schlicht unerträglich sein.

Pixel sind keine Menschen: Anders als beim Spielfilm und dem Theater sind bei Videospielen nicht nur die Charaktere, sondern auch die Schauspieler fiktiv. Deren Würde oder Gesundheit kann daher weder versehentlich noch im gegenseitigen Einvernehmen gefährdet werden. Soweit auch bei der Entwicklung des Spiels niemand geschädigt wurde und das Spiel nicht dazu aufruft, jemanden Schaden zuzufügen, kann kaum etwas für das Verbot eines Spieles vorgebracht werden.

Unzureichende Gefährdung: Offizieller Grund für das Verbot ist die Vermutung, dass Gewaltdarstellungen nicht ohne Einfluss auf die Gewaltbereitschaft bleiben. Wissenschaftliche Studien sind jedoch ebenso zahlreich wie widersprüchlich, wobei selbst von Kritikern nur bei Risikogruppen eine relevante Wirkung angenommen wird. Ein allgemeines Verbot wegen dieser Effekte ist völlig unverhältnismäßig. Daher fordern selbst internationale „Hardliner“ kein Verbot, sondern wollen Eltern ermuntern besser auf die Mediennutzung ihrer Kinder zu achten.

Geschmackszensur: Bei der Beschlagnahme von Videospielen steht oft die moralische Verwerflichkeit der Inhalte im Vordergrund, obwohl das Verbot eigentlich nur den vermuteten Auswirkungen auf die Gewaltbereitschaft begegnen soll. Auch von Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten werden Verbote oft damit begründet, dass gesellschaftliche Werte verteidigt werden müssten. Dabei sollte die schleichende Wandlung des Verbots zur einer „Geschmackszensur“ eine weitaus realere Bedrohung unserer Werte sein als fiktive Gewaltdarstellungen.

Verfassungswidrige Anwendung: Das Verbot wurde nur unter der Bedingung geschaffen, dass es sehr eng gefasst wird. Dass eine weite Anwendung verfassungswidrig ist, wurde bereits durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Aktuell wird jedoch von einer sehr niedrigen Schwelle ausgegangen, so dass bei Videospielen vom „Ausnahmecharakter“ der Vorschrift keine Rede mehr sein kann.

Verfassungswidriger Wortlaut: In der Praxis werden Verbote auch damit begründet, dass beispielsweise die Möglichkeit zum „Zwischenspeichern“ fehlt, oder dass das Überleben des Spielers im Vordergrund steht. Diese Auswüchse können als grotesk bezeichnet werden. Nach dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes müssen Gesetze so gefasst werden, dass erkennbar ist, welche Verhaltensweisen verboten sind. Das Verbot lässt jedoch viel Raum für moralische Wertungen, so dass die Reichweite völlig unklar ist.

Rechtsunsicherheit: Wegen der fehlenden Möglichkeit abseits der USK Spiele auf eine strafrechtliche Relevanz prüfen zu lassen wird eine rechtliche Grauzone geschaffen. Diese verhindert die Veröffentlichung nicht nur, wenn es tatsächlich verbotenen ist, sondern auch dann, wenn ein Verbot nicht völlig auszuschließen ist. Es wird daher über das Verbot hinaus auf das Medienangebot eingewirkt, was verfassungsrechtlich fragwürdig sein sollte.

Argumente gegen die Indizierung

Faktisches Verbot: Die Indizierung soll ein „milderes“ Mittel als ein Verbot darstellen, da betroffene Videospiele für Erwachsene nach wie vor erhältlich sein sollen. Tatsächlich werden von der Indizierung bedrohte Titel gar nicht erst veröffentlicht und Importe aus dem Ausland können rechtliche Risiken mit sich bringen. Auch Spielegegner attestieren der Indizierung die Wirkung eines „faktischen Verbotes“, das sie rechtlich jedoch nicht sein darf.

Tatsächliches Verbot: Durch die zunehmende Anzahl von DLCs und Spielen, die eine Onlinefreischaltung erfordern, stellt sich die Indizierung in manchen Fällen nicht nur als faktisches, sondern als tatsächliches Verbot dar: Wenn eine Authentifizierung für das Bundesgebiet nicht angeboten wird existiert meist keine legale Möglichkeit das Spiel zu nutzen.

Missbrauch: Dass durch die Indizierung „bestimmte Inhalte von vornherein aus den Medien entfernt werden“, wird von Spiegegegnern als positiver Effekt gesehen. So wird der Politik auch geraten die Indizierung (wie bereits geschehen) anstatt des § 131 StGB auszuweiten, da diese wie ein Verbot wirke, aber „rechtlich sehr viel leichter durchsetzbar“ sei. Dieser Missbrauch der Indizierung zur Steuerung des Medienangebotes kann nicht akzeptiert werden.

Unwirksamkeit: Ziel der Indizierung ist es zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche überhaupt von der Existenz betroffener Titel Kenntnis erlangen. Wegen der (Online-) Berichterstattung bereits im Vorfeld der Veröffentlichung und der Tests in Fachmagazinen, in denen regelmäßig darauf hingewiesen wird, wenn die deutsche Version geschnitten wurde, ist dies aber ein aussichtloses Unterfangen.

Kontraproduktiv: Mit der Indizierung kann ein Werbeeffekt einhergehen, so dass sie entgegen der Zielsetzung das Interesse Minderjähriger an indizierten Titeln steigert statt senkt. Wohl nicht nur zufällig gelten viele Videospiele, die das „Prädikat“ der Indizierung besitzen, als Kultobjekte: So ergab die JIM-Studie 2004, dass fast die Hälfte der befragten Jungen das indizierte „Max Payne“ bereits gespielt hatte, das ab 18 freigegebene „Call of Duty“ nur etwa ein Viertel. Schlussendlich ist die Indizierung vollends zur Makulatur verkommen, da die Liste betroffener Spiele von Kindern und Jugendlichen als „Einkaufsliste“ verwendet werden kann.

Zensur der Presse: Die Indizierung hat eigentlich nur ein Werbeverbot zur Folge, dessen Grenzen aber weitgehend unklar sind, da es „keine eindeutige Rechtsprechung zum Thema gibt“. Journalisten verzichten daher nicht nur auf Rezensionen zu indizierten Videospielen, sondern vermeiden es bereits die Titel namentlich zu nennen. Hier wird somit über das eigentliche Ziel hinaus nicht nur Werbung, sondern jegliche Auseinandersetzung im Rahmen der Berichterstattung durch die Presse verhindert.

Jugendschutz erschwert: Durch die Indizierung wird der offene Verkauf untersagt, weshalb sich die Vertriebskanäle indizierter Titel in eine rechtliche Grauzone verlagern. Spiele werden am Jugendschutz vorbei aus dem Ausland oder dem Internet bezogen, so dass auch Minderjährige an betroffene Spiele gelangen können. Ebenfalls wird wegen des unklaren Werbeverbots auf jede öffentliche Berichterstattung verzichtet, so dass eine gesellschaftliche Debatte über betroffene Inhalte nicht stattfindet. Die Indizierung macht daher Spiele nicht für Jugendliche, sondern für deren Eltern „unsichtbar“.

Überflüssig: Unter den dargestellten Umständen ist die Indizierung im Sinne des Jugendschutzes letztendlich nur eine Freigabe „ab 18“. Eine nutzlose obendrein, da die Kennzeichnung „keine Jugendfreigabe" durch die USK seit 2003 bindend ist. Es gibt also bereits eine staatliche Freigabe für diesen Bereich, weshalb auf die Indizierung als zweites System insoweit verzichtet werden kann.
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